Salam Alaikum liebe Lesende, nachfolgende Zeilen schildern meine Eindrücke, welche ich, während meines fast dreiwöchigen Aufenthaltes im Februar 2023 bei und mit der Familie Sow im Senegal sammeln durfte. Gut einen Monat nach meiner Rückkehr habe ich diese etwas sortiert und in eine einheitliche Zeit- und Schriftform gebracht. Es handelt sich nicht um einen chronologischen Reisebericht, sondern eine Zusammenfassung meiner Erlebnisse, Beobachtungen und Rückschlüsse, welche keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben und sicherlich die ein oder andere Frage offenlassen.
Zwei Tage nach meiner Ankunft kam ich dazu, die ersten Dinge zusammenzufassen. Nachdem ich die Nacht vor meinem Flug schon recht wenig geschlafen hatte, war die Fliegerei schon recht anstrengend. Auf dem ersten Flug von Leipzig nach Istanbul hatte ich zwar Platz, aber mir war kalt am Notausgangsfenster – dafür konnte ich wenigstens hinausschauen. Beim zweiten Flug war mir dann zwar warm in der Mittelreihe, dafür hatte ich platzmäßig die Wahl zwischen „ich schraube mir die Beine ab“ und „der Sitz ist steil wie eine Kirchenbank“. Ergebnis: Kirchenbank. Wer schon mal auf einer alten Kirchenbank gesessen hat, weiß, wie sehr die Sitzneigung zum Schlafen einlädt. So war ich die ganze Nacht wach, landete pünktlich um 6:30 Uhr in Dakar/Thiès und kam, im Gegensatz zu vielen anderen Menschen aus meinem Flug, gut durch die Kontrollen und zu meinem Visum.
Was so ein deutscher EU-Reisepass wert ist, konnte ich schon wieder hier bei der Einreise sehen:
…es erging nicht jedem so. Anschließend wartete ich jedoch gut eineinhalb Stunden auf mein Gepäck und draußen wurde es schon hell. Klaas und Ablaye warteten sich für mich die Beine in den Bauch. Ablaye ist der zweitjüngste Bruder von Klaas und wie sich noch herausstellen wird, eine große Stütze für die Familie, unseren Aufenthalt und eine sehr sympathische Person! Wir fuhren zusammen zum Haus ihrer Eltern Fatou und Ousmane. Dort angekommen erstmal ein großes Hallo mit Conny – Fatimata war ich für die ersten zwei Stunden nicht geheuer. Wir haben erstmal Kaffee auf europäische Art gemacht und sind auf die Dachterrasse bzw. die erste Etage gegangen, wo auch das erste Bild entstand. Es ging ziemlich schnell von 13 Grad zu 32 Grad Celsius, aber das fand ich einfach nur großartig – ich bin endlich im Sommer!
Am frühen Nachmittag sind wir dann mit dem Taxi ins Zentrum gefahren. Das Thema „Auto, Verkehr und Straßen“ ist hier ein separater Abschnitt. Nur so viel – das hat noch niemand von euch erlebt.
Auf die Frage, ob man da auch barfuß läuft, kam ich zu folgendem Schluss:
„Hier läufst du lieber nicht barfuß. Senegal hat ein immenses Müllproblem. Alle laden ihren Müll sehr unachtsam ab. Ab und zu wird was zusammengekehrt und angezündet. Den Menschen fehlt das Bewusstsein dafür, aber es fehlt auch die Infrastruktur. Es ist halt nicht natürlich gewachsen, wie bei uns: Hier kamen zuerst die Kunstoffmengen und dann keine Müllinfrastruktur. Zusätzlich wird unglaublich viel gebaut und das Zeug liegt auch noch herum.“
In der Stadt sind wir dann wegen der Simkarten für Internet unterwegs gewesen und um allererste Eindrücke zu gewinnen. Eisgekühlte handgemachte Hibiskuslimonade „Bissap“ ist übrigens der Hammer – ich habe mich direkt verliebt, woraus ich kein Geheimnis machte. Geld tauschten wir bei einem Cousin von Klaas, da die Schlangen vor den Banken vor allem am Monatsende sehr lang sind. Ob es dann Geld geben würde, wenn man endlich dran wäre, bleibt ebenfalls offen. Kurs: 655 senegalesische Franc (CFA) entsprechen zum Zeitpunkt meiner Reise rund 1 €. Das ist so festgelegt, da die Währung zunächst an den französischen Franc und nun an den Euro mit einem festen Kurs gekoppelt ist.
Wieder bei Fatou, Klaas’ Mama, angekommen, hat der Mannu Fisch gegessen und es für gut befunden! Thieboudienne (Weltkulturerbe und Nationalgericht) – Fisch mit Reis, eine senegalesische Wurzel (Maniok), Kürbis und anderes Gemüse und Gewürze. Sauce ist keine senegalesische Tradition. Es gibt eine große Schüssel auf dem Boden und daraus isst man von verschiedenen Seiten meistens mit Löffeln, aber manchmal mit der Hand. Ob ich zum Fischgenießer wurde? Nach vier Wochen weiß ich, dass es so nicht gekommen ist. Das schmeckte hier aber auch alles anders und ich gewöhnte mich gut daran. Fischgräten machen Fisch für mich jedoch nicht attraktiver – blödes Gefummel. Aber ich hatte mir vorgenommen, alles zu probieren und das habe ich getan.
Den Nachmittag verbrachten wir mit Ruhen und Fatimata beschäftigen. War ja auch genug los. 😉 In dem Haus ist ein ständiges Kommen und Gehen von Onkels, Cousins etc. Ich habe viele Menschen gesehen und beizeiten schon den Überblick verloren, wen ich schon gesehen habe und wen noch nicht. Dieses Gefühl wurde ich auch über die Zeit meines Aufenthaltes nicht los.
Die Nacht verbrachte ich in einem neu gebauten Haus. Es gehört einem Onkel von Klaas, welcher gerade in Vietnam ist und perspektivisch wieder dauerhaft zurückkommen wird. Ein sehr großes Haus mit vielen Schlafzimmern. Krasse Bude, auch wenn man hier etwas anders baut als bei uns.
Klaas erklärte mir die senegalesische Flagge. Sie setzt sich wie folgt zusammen:
Mir gefällt der Sinn dieser Zusammensetzung.
Am nächsten Tag ging es nach Dakar. Genauer gesagt, waren wir auf der sogenannten Sklaveninsel Île de Gorée. Dort befindet sich auch das „Das Tor ohne Rückkehr“. Hierhin wurden zur Kolonialzeit viele Afrikaner und Afrikanerinnen als Sklaven gebracht und dann nach Amerika verschifft. Es gab viel Elend und viele Tote. Auf dem einem Schild an dem letzten Tor steht sinngemäß „Dies ist ein Mahnmal für jeden Afrikaner, der daran denken soll, dass durch dieses Tor auch ein Stück von einem selbst gegangen ist und nie wiederkehrte“. Wer durch dieses Tor musste, kam also nie wieder zurück. Klaas hat mir einiges dazu erzählt, wovon einiges sicherlich nicht neu für war. Und dennoch erzeugt eine solch direkte Konfrontation ein ganz anderes Gefühl. Was damals geschah ist immer noch im Volksbewusstsein verankert und so gibt es eine beachtlich große antifranzösische Bewegung. Das hat meiner Einschätzung nach zwei Gründe:
Zurück ging es dann mit der Fähre und der neu gebauten Bahnlinie von Dakar in die neue, noch im Bau befindliche Stadt Diamniadio – weiter geht der Zug noch nicht. Von dort aus mit dem Auto nach Thiès – unser Fahrer hatte gute „stabile“ Musik im Radio, was nach einer Fahrt im völlig überfüllten Zug eine echte Erholung war. Viermal öffneten sich vor der Abfahrt des Zuges die Türen und jedes Mal dachten wir, da geht nix mehr rein – zu unserem Leidwesen ging da immer was. Es war wirklich kaum auszuhalten! Der Bahnhof, wiederaufgebaut im kolonialistischen Stil von 1912, und die Bahnlinie wurden mit Krediten aus Europa erstellt und entsprechen in jedem Punkt den uns bekannten Standards. Die Züge kamen mit sehr bekannt vor – klar, sie kamen aus dem Werk von Bombardier und Alstom, wie ich lesen konnte. Was ich davon halte, kann man im Absatz zuvor lesen.
Sehr ambivalent zu dem, was ich erlebte, hörte und las, muss ich jedoch sagen: Es war auch ein wunderschöner Tag. Auf der Insel waren es angenehme 26 Grad, im Gegensatz zu den Städten wunderbare, frische Luft und Fatimata konnte sich ordentlich die Seele aus dem Leib plantschen. Außerdem gab es mein senegalesisches Lieblingsgericht, von dem ich nicht wusste, dass es von hier kommt: Mafé! 🥰 Reis, Gemüse in Erdnusssauce und Geflügel oder Fisch – für mich mit Geflügel. 😉 Außerdem trank ich auch ein „senegalesisches“ Bier. Die Anführungszeichen stehen dafür, dass neben den klassischen Zutaten sogar das Wasser für diese Bier importiert wird und nicht wirklich Charakter im Geschmack aufweist.
Der nächste Tag war ziemlich ereignislos. Es war Ausschlafen angesagt. Nach dem Frühstück sind wir zum Friseur für Fatimata, um ihr kleine Cornrow-Zöpfe zu machen. Leider war nur die Hälfte zu schaffen, da sie stark protestierte und es so nicht möglich war, die Frisur zu Ende zu bringen. Es wäre gut für sie gewesen, aber komm‘ mal ’ner Dreijährigen mit Vernunft. Conny tat mir schon leid. Egal ob Conny, Klaas, Fatou, ein Spielzeug oder die Sendung vom blauen Elefanten – nichts half. Es ist unglaublich, wie viel Kraft in so einer Dreijährigen steckt.
Anschließend haben wir auf Klaas gewartet, da er Planen für den neuen Hühnerstall kaufen musste. Eigentlich wollten wir an diesem Abend noch nach Guelakh, aber alles verspätete sich so sehr, dass wir nicht fuhren. Ein weiterer Grund dafür, nicht zu Fahren werde ich im Teil „Auto, Verkehr und Straßen“ erklären. Im Allgemeinen verbringt der Mensch in diesem Land sehr viel Zeit mit Warten. Das ist eine Kehrseite davon, wenn nicht alles im Takt läuft, wie bei uns. Quasi das andere Extrem. Anfangs hatte ich schon damit zu tun, dass die präzisesten Zeitangaben „vormittags“, „nachmittags“ und „nach dem Abendessen“ sind. Über die Zeit konnte ich das auch deshalb entspannter sehen, da ich auch die Gründe dafür mitbekam – man kann ja die große Klappe haben, wenn man alles hat.
Und irgendwas muss man ja auch tun! Die Arbeitslosigkeit ist hoch, obwohl es genügend zu tun und zu gestalten gäbe, und der Bildungsgrad richtet sich auch nach dem Portemonnaie. Wenn die Eltern kein Geld haben, dann geht das Kind trotz Schulpflicht auch nicht zur Schule und verkauft irgendwas oder geht betteln. Man sieht hier auch viele Menschen, die einfach nur sitzen. Ohne Aufgabe. So richtige Langeweile. Sie sitzen einfach nur da. Ob es auch an Antrieb fehlt, kann ich nur schwer beurteilen und es steht mir auch nicht zu. Und man wartet auch, weil immer einer von jemand anderen abhängig ist. Sei es das Auto, was dich irgendwo hinbringt oder ein Job, der eben später anfängt, weil jemand anderes auf jemanden wartet. Teufelskreis.
Im Umkehrschluss war es für mich mit meiner Erziehung etwas schwierig, hier in Thiès anzukommen. Es gibt ein Dienstmädchen. Ich konnte das Alter schwer einschätzen, aber 18 war sie nicht. Sie kaufte ein, kochte Mittag, räumte unseren Tisch ab, aß was übrig blieb und wusch alles ab, kehrte das Haus etc. Als ich Conny sagte, dass das in mir ein seltsames Gefühl entstehen lässt, meinte sie, dass es ihr auch so ging, aber sonst würde sie vielleicht gar nichts tun und warten oder unter Umständen schlimmere Sachen machen müssen. Ein seltsames Gefühl bleibt es trotzdem in mir, auch wenn sie hier gut behandelt und bezahlt wird. Und das beschreibt dann noch eine Situation: ein Geschirrspüler kostet im Verhältnis unglaublich viel Geld, genauso wie andere elektronische Geräte und Maschinen. Aber menschliche Arbeitskraft ist wesentlich billiger und in Massen vorhanden. Für unseren zweiten Aufenthalt in Dakar „mieteten“ wir uns beispielsweise ein Taxi mit Fahrer für den ganzen Tag – für rund 70 € inkl. Auto, Benzin und Maut. Es ist eine gottverdammte Zwickmühle: Auf der einen Seite brauchen die Menschen den Job und nehmen so ziemlich jeden Job an. Sozialstaat? Fehlanzeige. Auf der anderen Seite halten sie damit dieses System am Laufen, zusätzlich zu den schon beschriebenen äußeren Einflüssen.
Aber ich habe auch den Eindruck gewonnen, dass die Gesellschaft auch näher beieinander ist, aus den genannten Gründen. Ähnlich zu den mir beschriebenen Verhältnissen zu DDR-Zeiten, kennt hier jeder jemanden, der jemanden kennt, um etwas zu organisieren. Man kann hier nicht wirklich allein leben, da man beispielsweise nicht einfach in den Baumarkt um die Ecke gehen oder sich ein Auto vor der Tür mit einer App buchen kann. Man braucht sich! Und diese Nähe so zu erleben war schön zu sehen.
Die Fahrzeuge: Es gibt eigentlich keine neuen Autos, da man sich das hier nicht leisten kann und so werden vor allem französische Fahrzeuge, aber auch Ford und Toyota, importiert. Es gibt zwar ein Importgesetz, welches festlegt, dass importierte Autos nicht älter als 8 Jahre alt sein dürfen, aber der Zustand der Autos wird kaum geregelt – es muss selbstfahrend ins Land kommen. Die Autos werden hier gefahren, bis wirklich gar nichts mehr geht. Die ältesten Fahrzeuge würde ich auf 40 bis 50 Jahre datieren. Der maßgebliche Anteil der Autos sind vom Zustand in der Kategorie „Abenteuer“ einzuordnen, auch Taxis und Busse. Ich habe nicht ein Auto ohne Schrammen gesehen. Die Schrammen würde man in Deutschland schon als kleinen bis mittleren Unfall bezeichnen. Die Ersatzteilversorgung ist desolat. Importe neuer Ersatzteile sind für senegalesische Verhältnisse nicht zu bezahlen. Sie kosten genauso viel wie bei uns in Deutschland, jedoch lebt der Großteil der hiesigen Bevölkerung von lediglich 70 € bis 150 € im Monat. Es wird also viel improvisiert, selbst gebaut und wenn ein Auto gar nicht mehr fährt, kann es noch immer Ersatzteile spenden. Bis letzterer Zustand eintritt, dauert es augenscheinlich eine sehr lange Zeit. 😉 Böse Zungen würden dies als nachhaltig bezeichnen. Es gibt wohl viele Unfälle, aber meistens mit Blechschäden. Als Motto könnte man ausgeben „solange ich das Radlager höre, ist es auch da“, „es gibt nichts, was man nicht zurechtschweißen und -hämmern kann“ und „was ist eigentlich ein Katalysator?“ Wir alle haben in den drei bis vier Wochen mindestens unser Rußpartikelvolumen deutscher Maßstäbe für die nächsten drei Jahre eingeatmet. Es gibt wenige Bilder davon, da ich die Menschen nicht bloßstellen wollte – die Mittel sind eben knapp. Insgesamt fiel es mir trotzdem nicht schwer, in die Autos einzusteigen: Das Land funktioniert ja trotzdem und die Menschen haben ja auch einen Selbsterhaltungstrieb und Ablaye ist ein souveräner Fahrer. Er wurde jedoch auf jeder unserer Fahrten von der Polizei angehalten, wegen seiner defekten Frontscheibe – gibt halt keine Neue irgendwo aufzutreiben. Aber zahlen musst du trotzdem – ohne Quittung versteht sich. Lediglich bei den Fahrzeugbeleuchtungen des Nachts hatte ich wirklich meine Schwierigkeiten. Das Fernlicht macht selten jemand aus, vermutlich weil oft auch das normale Abblendlicht kaputt ist. Daneben gehen die Rücklichter mancher, vor allem älterer Fahrzeuge unter. Manchmal glimmt dann auch nur noch ein Licht davon. Für mich war es zeitweise nicht möglich zuzuordnen, ob es sich um ein Auto handelt, wie breit es ist, wie weit es entfernt ist und wie schnell es fährt.
Der Verkehr: Es gibt Verkehrsregeln, in Dakar sogar Ampeln. Sie werden aber größtenteils ignoriert, bis auf ein Verkehrsschild: Das Schild, welches eine Bodenwelle ankündigt. Diese Bodenwellen sind mitunter sehr brutal und man fährt wirklich nur mit Schrittgeschwindigkeit darüber. Ihr Sinn ist es, im Ort nicht so schnell zu fahren, aber es gilt: Nach der Bodenwelle ist vor der Bodenwelle. 😉 In den Innenstädten ist es sehr eng und aus geplanten drei Spuren werden schnell fünf oder sechs. Im Gegensatz zu italienischen, griechischen oder spanischen Städten, die ich bisher erlebt habe und welche ähnlich eng waren, geht es hier zum großen Teil erstaunlich ruhig zu. Man hupt tatsächlich nur zur Warnung, aber sonst macht man sich Platz, gibt sich Handzeichen und redet durchs offene Fenster miteinander. Ich vermute, dass das zum einen die senegalesische Gelassenheit und zum anderen die Einsicht ist, dass man gemeinsam im selben Schlamassel steckt und man nicht schneller ist, wenn man eine Fahrzeuglänge weiter vorn im Stau steht. Ich fand mich bei meiner kleinen Spritztour – selbst am Steuer – zum Abschluss aber ganz gut zurecht – so war zumindest die Einschätzung von Ablaye, von der ich mich schon gebauchpinselt fühlte.
Die Fußwege: Welche Fußwege? Diese gibt es nur selten und sie sind nicht immer begehbar. Als Fußgänger muss man Gelassenheit und etwas Mut nach dem Motto „der andere hat Bremsen“ mitbringen. Geht aber erstaunlich gut, da das ebenfalls eine eingespielte Sache zu sein scheint. Ein paar „mutige“ Radfahrer sah ich auch.
Die Straßen: Es gibt Autobahnen mit Maut. Die sind vom Zustand her nicht so gut wie bei uns, aber durchaus in Ordnung. Bundes- und Hauptstraßen sind solala und man muss auf Schlaglöcher aufpassen, aber geht auch noch. Straßen in den Siedlungen? Was sind Straßen? Sie bestehen aus Sand, Erde, Schutt und beschriebenen Müll in Form einer Hügellandschaft. Mehr als 10 km/h sind nicht zu empfehlen – macht auch niemand.
Ich fand es noch witzig, bei dem ganzen Staub und Sand, auch noch Autowäschen zu sehen. Aus meiner Sicht gleicht dies einem Kampf gegen Windmühlen, aber sie sind überraschend gut besucht. Rückblickend vermute ich, dass viele Autofahrer ihren Autos emotional ähnlich verbunden fühlen, wie es hierzulande auch bekannt ist. Beim Schreiben dieses Absatzes fällt mir auf: Autofahrerinnen habe ich während meines Aufenthaltes nicht wahrgenommen. Mir ist nicht bekannt, wie die im generell Senegal gehandhabt wird.
Hier nur ein kurzer Überblick, denn das Projekt, seine Entstehung und komplexen Zusammenhänge füllten schon einen Dokumentationsfilm.
Nach einer langen Fahrt von viereinhalb Stunden (Klaas erzählte etwas von zweieinhalb Stunden – im Senegal ist Zeit etwas relativer zu sehen) sind wir wohlbehalten in Guelakh angekommen. Da es schon recht spät war, aßen wir noch etwas im Haus von Fatou und Ousmane und gingen schlafen. Ich bewohnte ein Zimmer in einem Gästehaus, von denen es hier einige gibt. Die Gästehäuser sind recht spartanisch eingerichtet, aber das war mir herzlich egal – ich hatte, was ich brauchte: Ein Bett, ein Moskitonetz vor dem Fenster, ein Klo mit Dusche im Flur. Ich schlief auf den Betten erstaunlich gut, auch wenn die Matratzen aus harter Meterware Schaumstoff bestanden. Überhaupt sind die Wohnungen, die ich bisher sah, spartanisch eingerichtet. Man stellt sich häufiger die Frage, ob man die eigene Bude derart reduzieren könnte und sollte. Wenn ich es recht verstanden habe, liegt das auch an einer Einstellung der Menschen hier. Sie sagen, dass sie sowieso nur zu Gast hier sind und damit sowieso alles endlich ist. Wozu also das Geld und die Mühe investieren: Das letzte Hemd hat keine Taschen.
Innerhalb des Dorfes befindet sich das Projekt, über welches Conny überhaupt nach Guelakh kam. Es wurde durch die Eltern von Klaas und einem weiteren Paar aufgebaut. Das ganze Projekt versorgt sich zu großen Teilen selbst: Keine externe Stromversorgung, was manchmal mit nächtlichem Stromausfall verbunden ist, eigene Wassertürme etc. Es gibt Ställe für Kühe, Ziegen, Hühner, Fischbecken, eine Landwirtschaftsschule mit Internat, einen Kindergarten, Felder und einiges mehr, was mir gerade nicht einfallen mag oder ich noch nicht gesehen habe – muss ja noch etwas für die nächsten Besuche übrig bleiben. Im Dorf selbst war ich nicht. Klaas sagte, dass ich mich hier frei bewegen könne, im Gegensatz zur Stadt.
Ich schrieb‘ ja schon, dass Senegal unglaublich viel importieren muss und sich der Bildungsgrad nach dem Portemonnaie richtet. Vor rund dreißig Jahren kamen die Eltern von Klaas und eine weitere Familie auf den Gedanken, dem etwas entgegenzusetzen und etwas Neues zu versuchen. Die Peulh, so heißt das Nomadenvolk von Klaas und seinen Eltern, konnten ab einem gewissen Zeitpunkt Mitte der 1980er Jahre nicht mehr durch das Land ziehen, da es kaum noch Nahrung für die Tiere gab, Wasser inzwischen nur sehr tief zu finden war, und auch schon ein Umweltschutzgedanke, aufgrund der Ausbreitung der Sahelzone, im Raum stand. Denn durch nomadische Tierhaltung wurden auch die Pflanzen unterwegs gefressen, was wiederum zur weiteren Ausbreitung der Wüste beitrug.
In Guelakh konnten sie sesshaft werden. Zuerst, und das war neu, baute man einen Kindergarten und eine Schule. So konnten die Eltern der Kinder die Schule besuchen und einen qualifizierten Abschluss erwerben. Mit mehr Bildung konnten sich die Menschen nun besser helfen. Hinzu kam dann die Tierhaltung, wofür dann auch wieder Agrarwirtschaft betrieben werden musste. Ein weiterer Gedanke war dann, dass man die Produkte gebündelt verkauft. So fuhr nicht jeder einzelne zum Markt und verdiente sein weniges Geld, sondern man verkaufte als Dorf und jeder erhielt den gleichen Anteil. Während also eine Frau auf dem Markt die Milch aus dem Dorf verkaufte, konnten die anderen zur Schule gehen, um Lesen und Schreiben zu lernen. Das Projekt kommt gänzlich ohne die Unterstützung von Hilfsorganisationen und NGOs aus. Sie werden schon unterstützt, aber eben durch lokale Programme und Förderungen oder durch Kooperation mit anderen Organisationen aus Senegal, Afrika oder Europa, was das Projekt auch so unabhängig macht. Viele NGOs und Hilfsorganisationen wollten schon Geld in das Projekt investieren, aber immer unter Bedingungen „dann müsst ihr aber das oder das tun“ – nein, es wird getan, was dem Projekt und somit den Menschen nützt und was sie selbst verwalten können! Eine seltene Unabhängigkeit hier. Leider wurde der Erwerb von weiteren Ländereien in dieser Umgebung blockiert. Stattdessen wurden innerhalb eines halben Jahres große Flächen an ein europäisches Unternehmen verpachtet – konventionelle Landwirtschaft mit Tagelöhnern, schlechten Arbeitsbedingungen und wenig, aber schnell verdientem Geld etc.
Dennoch wurde das Projekt international bekannt und es kommen regelmäßig Touristen vorbei, um zu sehen, wie man es auch machen könnte. Inzwischen gibt es ein Projekt 2.0 circa 30 Kilometer entfernt in Mbaxas. Hier hat man mit den Dorfchefs gesprochen, wie es ablaufen könnte und sie haben dann das Land an das Projekt verschenkt, weil die Idee einfach gut ist. Es dient nur den Menschen hier und es findet mit den Menschen statt, nicht über die Menschen hinweg. Das finde ich großartig!
Am nächsten Tag war ich um 9:30 Uhr der Frühaufsteher – Conny, Klaas und Fatou schliefen noch.🤣 Diesbezüglich ist das Land äußerst Mannukompatibel. Gegen halb elf aßen wir etwas Frühstück, bestehend aus Baguette und Schokoaufstrich und fuhren anschließend auf das Feld von Klaas. Schon beeindruckend, was hier so alles grün wächst, wenn man das Wasser aus der Erde holt. Jenes ist sehr tief im Boden. Ein rund 12 Meter tiefes begehbares Loch und eine zusätzliche Rohrbrunnenbohrung auf 18 Meter sind nötig, um genügend Wasser für die Pflanzen zu bekommen. Auch hier gibt es ein paar Kilometer entfernt eine europäische Agrarproduktion, die verschwenderisch mit Wasser umgeht und so den Grundwasserspiegel noch mehr senkt. Der Boden ist sehr fruchtbar. Was Klaas anbaut, kann ich nicht genau benennen – ich bin eben kein Agrarfachmann. Sein Ziel ist, dass sein komplettes Stück Land sich selbst im Kreislauf versorgen kann. Die Wasserpumpe wird mit Solarenergie betrieben. Stück für Stück kommt ein ausgeklügeltes Bewässerungs- und Bepflanzungssystem dazu. Letzteres ist so ausgelegt, dass größere Bäume mit Früchten kleineren Gewächsen Schatten spenden und dass verschiedene Arten so nebeneinander gepflanzt werden, dass sie sich gegenseitig die Schädlinge vertreiben – megakompliziert in meinem Kopf, aber das sagt er sicher auch über meinen Job. Derzeit ist er dabei, einen Hühner- und einen Ziegenstall zu bauen, um zum einen Produkte für den Verkauf zu haben und zum anderen Kompost für die Pflanzen, welchen er jetzt noch zukaufen muss. Dabei habe ich ihn handwerklich unterstützt und einen Solarbausatz für den zukünftigen Stall gebaut. Dabei musste ich einen Kompromiss zwischen „das ist VDE-Konform“ und, Zitat Klaas: „Mannu, bau’ das nicht zu Deutsch“, finden. Auf dem Feld ist übrigens der beste Internetempfang der Umgebung. Die Betonziegel für den neuen Stall werden an Ort und Stelle hergestellt – ziemlich nachhaltig und in diesem Land so üblich – kostet halt weniger und der Sand ist ja sowieso schon da.
Nachmittags war Klaas wegen Baumaterialien unterwegs und Conny hat mir einen Überblick über das Projekt verschafft. Und natürlich waren wir im Atelier von Sow Couture – der Schneiderei von Fatou. Ich liebe die Stoffe und Wachsdrucke und ich habe meinen Kleiderschrank mit einigen Klamotten von hier aufgewertet. 😎 Zwischendurch hat mich Conny mit zu einem Treffen der Frauen des ganzen Dorfes mitgenommen. Es ist so schön anzusehen, wie bunt, individuell und schön sie alle bekleidet sind. Was genau von statten ging, ist mir verborgen geblieben, aber die Art, wie sich trafen, war schön anzusehen.
Eine für mich und Conny sehr gewöhnungsbedürftige Sache war die Beleuchtungssituation. Fast alle Räume sind unglaublich spärlich und meistens kühl mit einer LED-Lampe beleuchtet. Sie befindet sich meist nicht dort, wo man das Licht wirklich braucht. Der einzig vernünftig ausgeleuchtete Raum ist das Atelier von Fatou. Zum Großteil liegt es daran, dass man Strom sparen muss. Ähnlich wie bei prepaid-Telefonen, bezahlt man in der Stadt ein Strom-Kontingent im Voraus. Ist dies aufgebraucht, geht der Strom eben aus. Oder man muss im Dorf die Akkus der Solaranlage schonen. Auch die Straßen sind spärlicher beleuchtet. Senegal bei Nacht von oben aus dem Flugzeug zu betrachten ist sehr eindrücklich: Es ist einfach nur rabenschwarz dunkel. Kein Vergleich zu Europa! Hinzu kommt vor allem auf den Dörfern, dass es selten Fensterscheiben gibt – unter anderem, weil diese teuer sind und wegen des Klimas natürlich. So sind hier einfach verstellbare Lamellen aus Eisen in den Fensteröffnungen verbaut, welche man je nach Luftbedarf einstellt. Sobald es dunkel wird, werden die Lamellen auch wegen der Insekten verschlossen. Dies führt zusätzlich dazu, dass die Dörfer gruselig unbewohnt aussehen, da kein Fenster leuchtet wie bei uns. In den Städten regeln das die Mauern um die Grundstücke. Auf die Dauer nichts für mich – ordentliches Licht muss sein.
Hauptgrund für den zweiten Besuch in Dakar war eine Einladung von Chanel zu einer Podiumsdiskussion über das senegalesische Kunsthandwerk. Hierzu wurde Fatou bzw. ihre Schneiderei Sow Couture über die Homepage, welche auf meinem Server liegt, und von Conny gestaltet wurde, kontaktiert. Das ist ziemlich cool, weil das mal eine zählbare Rückmeldung für die Sinnhaftigkeit der Homepage und der damit verbundenen Mühe ist.
Das Podium wurde durch Chanel, welche sich namentlich und mit der eigenen Werbung ungewöhnlich dezent verhielten, und dem Franko-Senegalesischen-Institut in der neu eröffneten Galerie 19M veranstaltet. Das Institut ermöglicht Studiengänge verschiedener Art, welche aber, und das ist das Besondere daran, in Senegal und in Frankreich und somit in ganz Europa anerkannt werden. Dort angekommen, wurden wir herzlich empfangen. Es gab Mittagessen, welches aus der Wahl „Reis mit Meeresfrüchten, Fisch und Fleisch“ oder „Lasagne“ bestand. Ersteres war wohl sogar für Conny zu krass. Aber auch die Lasagne machte nur satt. Aber egal. Danach wurde das Podium mit den anderen Gästen vorbesprochen und die Fragen etwas abgestimmt. Im Anschluss ging es in das Museum für senegalesische Handwerkskunst 19M – davon gibt es auch eines in Paris. Ein junges, erfrischendes Museum mit sehr schönen und detailreichen Ausstellungsstücken. Wir waren hin und weg. 😎
Nach der Führung durch Museum 19M begann die eigentliche Veranstaltung. Der Prolog wurde von einem Professor der Universität von St. Louis gehalten. Zunächst definierte er den Begriff Handwerkskunst. Dies erwähne ich deshalb besonders, weil es hier einen bedeutenden Unterschied zur Kunst in unseren Breitengraden gibt: In vielen Ureinwohnervölkern, auch woanders in der Welt, diente die Kunst nie sich selbst. Sie war immer mit einer Funktion verbunden. Sei es zum Beispiel, dass verschiedene Masken religiöse Funktionen hatten oder eben die schönen Kleidungsstücke etc. Es wurde also kein Bild gemalt, was dann in einer Galerie hängt, damit es hängt. Danach sprach er auch über die Kolonialzeit und wie sie die afrikanische Kunst kaputt gemacht hat. Er bezeichnete es als Kulturkannibalismus, da nicht nur die Kunst, sondern auch die Menschen und ihre Kultur zerstört wurden. Ein Problem, welches jetzt auch bei der Rückgabe von Kunstgegenständen besteht. Denn die Menschen zu den Kunstwerken gibt es ja auch nicht mehr und so sind die Gegenstände völlig ohne Kontext und nicht selten bleibt die Bedeutung deshalb verborgen. Die importierten Religionen taten dann noch das übrige. Bei vielen Kunstgegenständen ist die Funktion gar nicht mehr klar.
Anschließend wurden die einzelnen Projekte vorgestellt. Interessante Sachen aus verschiedenen Bereichen und Regionen waren dabei. Die Kunsthandwerker und Handwerkerinnen beklagten dabei vor allem den Fachkräftemangel. Die Jugendlichen würden sich „lieber auf den sauberen Teppich der anderen setzen“, als selbst eine Lehre für einen Beruf anzustreben und durchzuhalten. Das „Gejammere“ ähnelt dem, wie es bei uns klingt und sicher ist da auch was dran. Conny und ich waren jedoch auch begeistert über ein Statement aus dem Publikum. Ein junger Mann in schwarzen Klamotten und seitlicher Baskenmütze meldete sich und gab Kontra! Er sagte, dass sich viele Jugendliche gar nicht trauen würden zu träumen, weil schlichtweg die Mittel fehlen. Wie soll ein Azubi/Student ein 500 Euro teures Zimmer in Dakar bezahlen und sich noch ernähren oder, wenn er weiter draußen wohnt, den Weg zur Ausbildungsstelle meistern, welcher durch die Überfüllung der Stadt ewig dauert und teuer ist. Fast alles findet in Dakar statt. Oder die Stellen sind halt in der Pampa – da ist auch nix los, die Versorgung mit Internet ist wackelig und der Transport kostet wieder. Hier liegt sicher auch eine Ursache für die eingangs von mir beschriebene „Langeweile“. Wie bei uns sind viele Ausbildende stehen geblieben und erkennen die Probleme der potenziellen Jugendlichen nicht, nur dass es dort auch wirklich ums tägliche Brot geht. Sie entgegneten, dass es ja Förderungen gäbe – für 1700 Lehrstellen. Bei einer Geburtenrate von über 30 Prozent, acht Millionen Jugendlichen und einer sehr hohen Jugendarbeitslosigkeit fast schon ein Hohn! Die Fronten scheinen sehr verhärtet zu sein. Des Weiteren sind viele Fördermöglichkeiten auch gar nicht bekannt.
Für mich ein schöner und dennoch sehr anstrengender Tag. Denn auch wenn man keine der Sprachen versteht, so ignoriert das Gehirn dies nicht und versucht es trotzdem.
Auch zur aktuellen politischen Lage im Senegal wurde ich gefragt. Auch hier gilt, dass dies meine Eindrücke, die Antworten auf meine Fragen und meine Beobachtungen beschreibt:
Das Thema war recht gegenwärtig, da wir viel mit dem Präsidenten konfrontiert wurden, durch überdimensionale Plakate und weil der Präsident während unseres Aufenthaltes durch den Senegal tourte. Und auch wegen schon genannter Themen kommt man nicht umhin, sich über die politische Lage Gedanken zu machen.
Der Senegal ist grundsätzlich ein demokratischer Staat mit Parlament, außerparlamentarischer Gerichtsbarkeit etc. Nach außen mit offiziellen wesentlichen Standards vergleichbar und in der Korruptionsskala sicher nicht ganz oben zu finden. Der derzeitige Präsident Macky Sall fährt einen sehr west- und vor allem frankreichfreundlichen Kurs. Der vorherige Präsident Ablaye Wade hat als Panafrikaner, laut Klaas, sehr darauf hingearbeitet, dass der Senegal und auch Afrika Aufgaben und Probleme aus eigener Kraft lösen kann und dass das Land unabhängiger vom Westen wird. Er engagierte sich stark für eine afrikanische Union. Ein Gegenentwurf zu EU, USA, China und Russland etc. Nach zwei Amtszeiten und einigen undurchsichtigen Aktionen, kam dann der derzeitige Präsident Macky Sall ans Ruder und machte die meisten dieser Bestrebungen wieder rückgängig. Ich verweise an dieser Stelle auf das Beispiel des Nachbargrundstücks von Guelakh, worüber ich schon schrieb. Er hat sich des Weiteren seiner nennenswerten Konkurrenz, dem Sohn des Vorgängers, durch juristische Trickserei entledigt. Er befindet sich in seiner zweiten Amtszeit und müsste gehen, aber es werden Tendenzen sichtbar, dass das Gesetz durch ihn gekippt werden soll. Noch ist nichts offiziell. Macky Sall wird vom Westen, Scholz war beispielsweise im Januar 2023 wegen neuer Erdgasvorkommen hier zu Besuch, sehr hofiert und er wird es ihnen recht machen, das Land weiter auszubeuten.
Zur Volksnähe, um eine Frage noch konkreter zu beantworten:
Auf unserer Strecke von Thiès nach Guelakh hatte Macky Sall mehrere Veranstaltungen. Zu diesen Veranstaltungen chartert er Busse, welche die Leute kostenlos zu seinen Veranstaltungen karren. Dazu verteilt er gelbe Klamotten – die Farbe seiner Partei. Und viele Menschen bekommen dann auch noch 5500 CFA (rund 9 Euro), damit sie kommen. Da ist also ordentlich was los. Somit demonstriert er Rückhalt aus dem Volk, auch wenn die Leute gekauft sind. Aus meiner Sicht: Scheinheiligkeit und Makulatur. Sein Weg ist gesäumt von Polizisten mit Maschinengewehren in der Hand. Mindestens zwei an jeder zweiten Kreuzung und noch dazwischen. Eine unglaubliche Polizeipräsenz. Klaas sagte: „Naja, ist ja kein Wunder. Die Jugend schmeißt dem sonst die Scheiben ein oder zündet was an.“ Wir sahen auch Gegendemonstrationen. Die Jugend, von der es reichlich gibt, verachtet diesen Präsidenten. Die Politik und der Präsident schweben über allem und haben den Kontakt zum Volk und den wirklichen Problemen verloren. Man muss aber leider davon ausgehen, dass sich da so schnell nichts ändert. Denn die Kohle kommt aus dem Ausland. Weder EU, USA, China oder Russland haben ein Interesse an einem starken Senegal oder einem geeinten Afrika als Global Player. Schließlich brauchen wir unsere Absatzmärkte und die Abhängigkeit Afrikas von „uns“.
Es ist ein Trauerspiel und ich gebe zu, dass mir das hier durchaus zu schaffen machte. Klar ist mir das im Überblick nichts neues gewesen. Es ist aber noch mal etwas ganz anderes, wenn man so direkt und ungefiltert damit konfrontiert wird. Keine Tagesschau, die vorher ein bisschen geglättet und gestreichelt hat, damit wir alle ruhiger schlafen können. Man sieht es an jeder Ecke. Ja, es gibt auch ärmere und korruptere Länder hier in Afrika – keine Frage. Aber das ändert an der Situation der Menschen hier natürlich nichts.
Gegen Ende meines Senegal-Aufenthaltes waren wir in St. Louis. Die Stadt ist ungefähr 30 km von Guelakh entfernt. Sie ist die bisher schönste Stadt, die ich hier gesehen habe. Eine Stadt, deren früheren Glanz man im Stadtkern an jeder Ecke sehen kann, wenngleich der Glanz nicht unproblematisch war. Es sind eben Bauten aus der Kolonialzeit. Obwohl der Stadtkern UNESCO Weltkulturerbe ist, verfallen viele Bauten ganz oder werden eben genutzt, wie es praktisch ist. Für Denkmalschutz interessiert man sich hier weniger, auch wenn hier viele Touristen anreisen. Ich vermute, dass das Geld, welches durch die UNESCO hier ankommt, recht überschaubar ist oder es versickert in irgendwelchen anderen Löchern. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass sich die Begeisterung zur Erhaltung kolonialistischer Denkmäler in überschaubaren Grenzen hält. Nichtsdestotrotz war es sehr schön, durch die Straßen zu laufen und einfach zu schauen. Wir waren im Hotel, in welchem Conny hier erstmals war, haben richtig gut essen, sowie ein paar Souvenirs erstanden und haben uns die bunten Fischerboote im Hafen angeschaut, von denen es unglaublich viele gibt. Das war ein feiner Tag!
Auf dem Weg zurück bin ich dann etwas sentimental geworden – bald heißt es: Heimweg antreten. Dieses Gefühl wurde ich die letzten drei verbleibenden Tage auch nicht mehr los und ich schlief nicht mehr so gut, wie die Tage davor. Die nicht ganz drei Wochen waren eine tolle Erfahrung und ich fühlte mich wie eine sehr gut gefüllte Kanne mit vielen neuen Inhalten, die dann erstmal Platz finden mussten – auch wenn mir bewusst ist, dass ich mir vorerst nur einen intensiven Überblick verschaffen konnte. Ich habe nicht das Gefühl gehabt, etwas verpasst zu haben. Die Kanne ist in einem positiven Sinne gefüllt gewesen. Darüber freue ich mich immer noch sehr und bin sehr dankbar!
Es neigte sich der letzte Tag in Guelakh dem Ende zu. Fatou, Klaas’ Mama, meinte zu mir, „dein Geist konnte sich einmal richtig ausruhen“ und ich finde, dass es das ganz gut bezeichnet. Oder wie es meine Mama einmal beschrieb: „Ich sammle meine Päckchen auf dem Rückweg alle wieder ein.“ Da ich aus meinen Begeisterungen für verschiedene Dinge, wie Café Touba, Baobabs (Knubbelige Affenbrotbäume, die heilig sind und das Symbol Senegals), Bissap oder Mafé, kein Geheimnis gemacht habe – kann man mir ja auch ohne Sprachkenntnisse anmerken – wurde mir zum Abschied Mafé versprochen, welches vorzüglich schmeckte.
Am Tag meiner Abreise zum Flughafen durfte ich auch mal Auto fahren. Das stand auf meiner sehr kurzen Liste der Dinge, die ich unbedingt gemacht haben möchte, bevor ich wieder zurück nach good cold germany aufbreche. Noch in Guelakh wurde ich von Ousmane, welcher meinte, dass ich beim nächsten Mal hoffentlich mehr Wolof sprechen kann, herzlich verabschiedet – so herzlich, wie man das dort macht. Meine Erfahrung ist, dass man es dort nicht so mit Emotionen hat, geschweige denn, diese auch zu zeigen. Auch Fatou dankte mir beim Abschied für mein Dasein und wir versprachen uns, dass wir uns wieder sehen – inshallah! Ablaye fuhr mich zum Flughafen, begleitet wurde ich von Conny, Fatimata und einem Cousin, welcher auch Ablaye heißt. Eine schöne Geste.
Und ja, mit Emotionen haben sie nicht so, aber es gab einen Moment, an welchem ich mir die Tränen wirklich verdrücken musste. Als wir losfuhren hielt Ablaye plötzlich an, stieg aus und holte mir einen Café Touba für den Weg. Kosten 100 CFA = 15 Cent. Eine schöne, kleine Geste, die ich heute noch sehr feiere und deren Bild ich so schnell nicht vergessen werde. Manchmal geht es ganz ohne Sprache.
Am Flughafen hielten wir die Verabschiedung recht kurz, damit wir nicht alle überfließen – Kloß im Hals inklusive. Auch beim Schreiben hinterher fiel es uns schwer, die richtigen Worte zu finden.
Unvollständige Liste der Dinge, die ich vermisste, nicht vermisse und vermisse.
Ich vermisse nicht:
Nach drei Wochen konnte ich aber auch gut auflisten, was ich von Deutschland vermisst habe:
Conny: Und was vermisst du hier von Senegal? Jackpot-Frage. Fänd‘ ich jedenfalls sehr spannend und schön es hier noch einzufügen!
Definitiv Café Touba und Bissap!
Inshallah war ich nicht das letzte Mal da! Insgesamt waren es fast drei Wochen und es hätte nicht kürzer sein dürfen. Zum einen musste ich mich erstmal an Klima, Tempo, Menschen usw. gewöhnen, andererseits mussten sich die Menschen auch mich gewöhnen und mich einordnen. Ab Woche zwei habe ich gemerkt, wie wir gegenseitig auftauten. Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich dieses Land in einem sehr geschützten Rahmen kennengelernt habe, aber ich war dadurch auch näher dran als ein Stino-Tourist. Mir sind warmherzige, offene, rücksichtsvolle, gastfreundliche und liebe Menschen begegnet, deren Bekanntschaft ich nicht missen möchte. Ich lernte ein Land kennen, dessen teilweise eklatante selbst- und fremdgemachte Probleme zeitweise zum Himmel schreien, gerade von meinem privilegierten Standpunkt aus gesehen, aber auch ein Land mit Raum und Wille zur Gestaltung.
Nun sind mehr als vier Wochen vergangen, seit ich wieder in Deutschland bin und ich gebe zu, dass ich es die ersten zwei Wochen, natürlich auch wegen der Kälte, nicht leicht hatte, mich wieder an das deutsche Tempo zu gewöhnen. Die Welt hier hatte sich nicht verändert, aber ich habe mich in den drei Wochen verändert. Drei Wochen erste Eindrücke am Stück und das unmittelbare Erleben eines für mich unvergleichbaren Landes haben mich ziemlich geerdet nach Deutschland zurückkehren lassen. Es bleibt eine nachhaltige, stets präsente Färbung meines Blicks auf mich, meine Umgebung und was mich beschäftigt übrig. Mein kleines Universum ist jetzt etwas größer geworden. Auch während des Aufarbeitens dieses Berichts merke ich das sehr. Dafür bin ich dankbar!
Achja: Und nächstes Mal fliege ich nicht am Wochenende. Volle Flugzeuge sind nicht sexy!
Fazit in einem Satz: Unterm Strich war es eine wundervolle, bereichernde Erfahrung, die ich gern vertiefen möchte!
P.S.: Warum eigentlich Mannu Mamadou Sy? Klaas‘ Mama Fatou, Conny und einige Frauen, die uns begegneten, machten sich mehr als einmal einen Spaß daraus, mich verheiraten zu wollen. Sie boten mich quasi an. Ich bekam Aussagen wie „Mannu, sie hier kann echt gut kochen und hat schon drei Kinder“ oder „Ich habe eine Cousine, sie ist Single. Schau‘ dir mal das Bild an, sie ist sehr hübsch“ zu hören. Natürlich alles nur im Scherz. Irgendwann hieß es, dass ich natürlich auch einen senegalesischen Namen bräuchte für eine Hochzeit. Wir einigten uns auf „Mamadou“ – ich mag diesen Namen. Sy ist ein typischer Nachname im Senegal. Ich gebe zu, dass ich zuweilen etwas verlegen war. Schließlich war ich der Mittelpunkt des Spaßes und ich verstand kein Wort. Aber witzig war es trotzdem!
Nachfolgender Absatz ist aus verschiedenen Gründen nicht so ausführlich, wie der erste Beitrag. Wer bis hier hin gelesen hat, verdient meinen Respekt und hat auch schon genug gelesen. 🤣 Nein, im ernst: Im Februar 2025 verschlug es mich erneut in den Senegal. Conny und Klaas haben sich dazu entschieden, ein ganzes Jahr auf Probe in den Senegal zu gehen und zu probieren, ob es für sie möglich und gut ist, sich dauerhaft dort niederzulassen. Ich werde hier nicht weiter darauf eingehen, da dieser Teil lediglich der Dokumentation und eurer Teilhabe meinen zweiten Eindrücken und Erfahrungen dient.
Die Kürze des Artikels ist damit begründet, dass ich einen Großteil meines Aufenthaltes gesundheitlich angeschlagen war und viele Dinge, wie Einreise, Verkehr, Essen und Menschen etc. schon hinreichend beschrieben wurden und sich nichts oder nur geringfügig daran geändert hat.
Nachdem ich einen sehr langen und bedingt entspannten Flug via Istanbul hinter mir und ich gut zwei Stunden auf mein Gepäck gewartet hatte, haben mich Conny, Fatimata, Oma Fatou und ein Fahrer (Klaas war in Guelakh geblieben, wegen einer bevorstehenden Geburt eines Kälbchens) am Flughafen Thies/Dakar abgeholt – ein großes Hallo! Es war ca. 21 Uhr und mit ca. 18°C ungewöhnlich kalt. Wir fuhren zunächst etwas zu essen holen und danach in das große Haus des Onkels von Klaas, in welchem ich schon während meines ersten Aufenthaltes zeitweise übernachtet hatte – endlich liegen. Conny war so lieb, mich ausschlafen zu lassen und die Betreuung der beiden Kinder zu übernehmen. Es gab Café Touba, welcher sich inzwischen in meinem sächsischen Freundeskreis größter Beliebtheit erfreut, und das ewig brüchige Baguette mit Kakaocreme zum Frühstück. Wir starteten entspannt in den Tag in besuchten Oma Fatou. Draußen war es endlich so warm, wie man das auch erwartet: 35°C und pralle Sonne. Dort angekommen, hatte man sich scheinbar an meine Begeisterung für Mafé erinnert – I’m in love! Dieses Vergnügen wurde leider nur dadurch getrübt, dass ich nicht mit der darin verarbeiteten Meeresschnecke gerechnet hatte. Sie gibt eine ganz spezielle Note dazu, ab im ganzen ist sie definitiv nicht zu empfehlen. Anschließend gingen wir auf den Markt, um unter anderem einen Kinderstuhl für Bilal zu organisieren.
An dieser Stelle möchte ich eine generelle Erfahrung formulieren, welche ich schon beim ersten Aufenthalt gemacht habe, aber nicht so bewerten konnte, wie jetzt: „Das Material zittert schon alleine bei der Vorstellung, dass es irgendwann auch nur eine Aufgabe zu übernehmen hat und möchte schon ohne Anfassen kaputt gehen.“ Was so scherzhaft ironisch klingt und inzwischen oft zitiert wird, ist leider bittere Wahrheit – billige Fernost-Importe von einer Qualität, welche man hierzulande weder einführen noch verkaufen dürfte. Sei es der Kinderstuhl für Bilal, der bei einer normalen Kindesbeanspruchung kein halbes Jahr durchhalten wird, oder die Lampenfassung und das Kabel, welche ich in Guelakh installiert habe (Mannu = internationaler Haus- und Hofelektriker/-informatiker), um der bereits erwähnten Lichtsituation ein Schnippchen zu schlagen. Selbst wenn ich etwas solideres für mehr Geld (der Kurs ist immer noch der gleiche) haben wöllte – ich würde es nicht bekommen. Aus meiner Sicht und den bisher gesammelten Erfahrungen führe ich das zum einen auf die wirtschaftliche Situation zurück, sodass eine Nachfrage nach höherwertigeren Materialien gar nicht erst entsteht, auf der anderen Seite sehe ich kein Bewusstsein dafür. „In einem halben Jahr, kann ich mir ja wieder etwas neues holen.“ Das hat wiederum Auswirkungen auf die beschriebene Müllsituation, welche ich schon beschrieb und sich um keinen Jota gebessert hat. Dazu kommen etliche, für uns sehr nervige Provisorien, beispielsweise ein Tor aus Holz und Wellblech, welches nur mit einem Faden und einem Nagel im danebenstehenden Baum verriegelt werden kann. Man ist teilweise mehrere Sekunden damit beschäftigt… Aber auch hier greift die senegalesische Gelassenheit: „Nichts hält so lange, wie ein Provisorium.“
Eines unser touristischen Ziele, welche wir uns vorgenommen hatten, war eine Tagesreise zum Lac Rose. Im Reiseführer oder bei Wikipedia ist von einem romantisch, schön gelegenem Salzsee mit eine speziellen Algenart zu lesen, welche den See von Zeit zu Zeit in ein rosa Meer verwandelt. Soweit die Theorie.
Nach einer langen Taxifahrt, bei welcher man sich doch nicht immer auf die geografischen Kenntnisse des Fahrers verlassen sollte, in Oma Fatous Auto (es leuchtete jede Warnleuchte auf dem Tacho) mit unglaublichen Temperaturen und zwei Kindern waren wir endlich angekommen. Ein ganz und gar nicht ins rosa getauchter Tümpel mit unglaublich viel Müll und Gestank erwartete uns. Oma Fatou nannte es schlichtweg „Lac nuell = Müllsee“. Nach einem kleinen Spaziergang vorbei an den Souveniershops, an welchem die kleine Fatou mit ihrem Scharm allerlei Geschenke bekam, führen wir ans nahgelegene Meer. Der Weg war abenteuerlich, aber die unglaublich gute Meeresluft tat uns allen gut. Dazu fanden wir eine Strandrestaurant. Scheinbar ohne Strom, mit einem unglaublich leckeren Menü, welches aus verschiedenem Gemüse, Reis und richtig leckeren Sachen vom Grill bestand. Der Sand war gesiebt und sauber, sodass Bilal und Fatou nach Belieben und gefahrlos rumkrabbeln, spielen und sich von den Strapazen der Fahrt erholen konnten – Entspannung pur für alle beteiligten.
An einem weiteren heißen Tag in Thies besuchten wir eine lokale Weberei, da unsere geplante Tour nach Touba entfallen musste. Die Fahrt durch die überfüllte Stadt mit der immer noch schlechten Luft war sehr anstrengend. Aber wir wurden entlohnt: Direkt nach dem Eingangstor begrüßten uns Palmen und Baobabs, welche direkte Auswirkungen auf Luftqualität und Klima nahmen. Angekommen am Haupteingang konnten wir lesen, dass wir eine halbe Stunde vor der Mittagsruhe angekommen waren. Doch hier greift eben auch die positive Seite genannter Gelassenheit: „Ihr seid jetzt da, als bekommt ihr auch jetzt eine Führung.“ Und so wurden wir durch die einzelnen Gebäude geführt, in welchen die Webpläne oder eher Landkarten für verschiedenen Kunstteppiche entstehen, die Teppiche gewebt (Fatou durfte auch mal an eine der Maschinen unter Betreuung der liebevollen Weberinnen) und anschließend in einem großen Raum verkauft werden. Beeindruckend!
Natürlich ist ein Senegalbesuch ohne Guelakh nicht möglich. Es war, bis auf ein paar kleine Änderungen, wie die von Conny initiierte Buvette oder ein neues Haus im Aufbau, alles so, wie ich es beim letzten Mal verlassen hatte. Ich schlief dieses Mal in einer kleinen Hütte mit eigenem Bad – angenehmer Komfort. Hier erwischte es mich leider richtig mies. So lag ich drei Tag fast ausschließlich im Bett, mit einer Fiebertemperatur, die annähernd der Außentemperatur entsprach. Conny hielt mich am Leben mit ihrer Hausapotheke, sodass wir nach ein paar Tagen auch unsere erste Entspannungszeit in St. Louis genießen konnten Klaas nahm Fatou mit aufs Feld und wir besuchten eine Fotoausstellung, welche auf mehrere Gebäude über die Innenstadt verteilt war. Bilal schlief recht viel und wir konnten ausgiebig reden – haben wir sogar noch ein zweites Mal geschafft, denn auch wenn Conny die meiste Zeit die Aufgabe der Kinderbetreuung und andere Aufgaben übernimmt, so ist es dennoch als Begleiter manchmal nicht so einfach.
Nach knapp zwei Wochen stand die Rückreise an. Conny, Klaas und die Kinder wollten Oma und Opa in Dresden für ein paar Tage besuchen und so hatten wir geplant, einfach wieder zusammen zurück zu reisen. Aber wie heißt es im Senegal so schön: „Der Mensch macht Pläne, aber Gott entscheidet.“ So kam es, dass wir zwar pünktlich am Flughafen ankamen, es aber zu Problemen beim Onboarding kam. Wir bekamen zunächst widersprüchliche Informationen und die Boardingtime rückte immer näher. Ein völlig überfülltes Büro mit drei Angestellten und zwei Laptops sollte nun Flugalternativen für ca. 300 aufgebrachte Passagiere finden. Es ging unvorstellbar chaotisch zu, da jeder meinte, der erste sein zu müssen und in der Schlange nacheinander anstehen nicht der senegalesische Stil. Ich hätte da nichts gewonnen, aber Klaas rettete uns und wir bekamen noch einen alternativen Flug über Paris. Aber Fatou hat es uns für ihr Alter so leicht wie möglich gemacht – Conny hatte allen Grund Stolz zu sein. Alhamdulillah!
Auch nach diesem mal heißt es für mich wieder: Inshallah war das nicht mein letzter Besuch! Ich muss mich natürlich der Tatsache stellen, dass erste Eindrücke eben erste Eindrücke sind und es sich bei Wiederholungen anders anfühlt. Angeschlagen war ich auch und vielleicht verstärkte auch das mein Genervtsein, wenn man mal wieder warten musste oder Absprachen nicht funktionierten. Und viele Details, die beim ersten Besuch durch meine Überwältigung übertüncht wurde, wichen zum Teil einer ernüchternden Erkenntnis und auch Traurigkeit. Aber trotzdem nehme ich immer noch die Herzlichkeit und die Wärme der Menschen wahr, ich habe Fataya, ein zweites Lieblingsessen, kennengelernt, ich feiere wieder den mehr oder weniger subtilen Humor der Menschen, die neue ambitionierte Staatspolitik und noch so viel mehr, was den Rahmen dieser Zusammenfassung sprengt.
Es war ein wertvoller Besuch! Und somit möchte ich mit einem Zitat von Conny enden: „Das ist super, dass du durch deine Erfahrungen auch ein transkultureller Multiplikator wirst und die Leute dafür öffnest. Das ist genau der Job von Leuten wie dir und mir Manu: Wenn die anderen nicht kommen müssen wir denen zumindest davon erzählen!“
© Sow Couture 2023/2025