• AUF REISEN •

KOMM MIT UNS NACH SENEGAL 🇸🇳

Es gibt bekanntlich viele Wege nach Rom. Und auf den ersten Blick erstaunlich wenige direkt nach Senegal. Vor allem im Kopf vieler Menschen in meinem Umfeld. Und genauso ging es mir selbst bis vor gar nicht allzu langer Zeit. Zumindest hätte mich dorthin eigentlich nichts so schnell verschlagen, denn ich hatte keine Ahnung von Afrika, den Menschen dort oder diesen unzähligen Ländern auf der Karte, die ich irgendwann im Geografieunterricht mal fürs Abi auswendig lernen musste. 

Mit Bewunderung, Ehrfurcht und aus sicherer Entfernung betrachten wir in Europa oft diesen riesigen Kontinent und halten ihn oft für sehr weit weg von uns selbst. Selbst Kuba oder New York kommen einem dann irgendwie näher, erreichbarer vor, weil es so viel einfacher ist, dort als Touri oder Traveler unterwegs zu sein, ohne jemanden zu kennen, einfach mit einem Reiseführer unter dem Arm. Hinzu kommt, dass wir in Europa durch unsere „westliche Brille“ oft mit Vorbehalten in den globalen Süden und auf die sogenannten Entwicklungsländer schauen. Aber dazu später mehr.

Warum eigentlich gerade Senegal?

Nun, für Afrika gibt es unzählige Reiseführer, aber keiner kann jemals so gut sein wie Steph, die mich vor inzwischen 5 Jahren spontan zwischen Tür und Angel fragte (wir kannten uns kaum), ob ich sie nach Senegal begleiten würde, um dort einen Dokumentarfilm über ihr Projekt zu drehen. Klar, eine Reise ins Ungewisse mit einem Menschen den ich nicht kenne? Ich bin sofort dabei! 

Zumindest war mir an dem Tag einfach so danach und zum Glück meines Lebens habe ich keine Sekunde gezögert. Sonst gäbe es heute weder diesen Blog, noch diese Website, noch die Kooperation mit jenem kleinen afrikanischen Unternehmen, das die wundervollsten Waxprint-Stoffe herstellt, die man sich vorstellen kann: Sow Couture! Ganz zu schweigen natürlich davon, dass ich ein Jahr nach meiner ersten Senegalreise dort im selben Dorf geheiratet habe, wo ich nach drei langen Jahren, einem Umzug, einer Schwangerschaft und einer Pandemie nun im Januar 2022 wieder zurückgekehrt bin! Mit im Gepäck, mein Mann und ich, ein Kleinkind und jede Menge Entwürfe für die neue Kollektion, die seit Monaten in der Schublade auf ihren großen Moment warteten.

About Senegal

Senegal ist für afrikanische Verhältnisse ein recht kleines Land, mit grade mal 17 Mio. Einwohnern und circa halb so groß wie Deutschland. Es liegt in Westafrika an der Grenze zu Mauretanien, Mali, Gambia, Guinea und Guinea-Bissau an der Küste des Atlantiks; und wird als die Nase Afrikas bezeichnet, weil die Landspitze, auf der die Hauptstadt Dakar liegt, aus der Luft aussieht wie eine riesige Nase eines Löwen. 

Senegal ist bekannt – natürlich – für die Autorallye Paris-Dakar, für den senegalesischen Löwen, den schönsten seiner Art, der leider ausgestorben ist, großartigen Fußball (sie haben das erste Mal in der Geschichte den Afrika-Cup gewonnen als wir da waren!), für das Nationalgericht Thieboudienne, das 2022 zum Weltkulturerbe der Unesco erklärt wurde, für die roten Sanddünen der Sahara (Sahelzone), die Peulh-Bauern die einst als Nomaden durchs Land zogen, westafrikanische Erzähler und Musik, einen der größten Naturschutzgebiete und Vogelparks Parc du Djoudj und für Saint-Louis, dem Venedig Afrikas, der Stadt auf dem Wasser… 

Die Amtssprache ist Französisch, die Verkehrssprache vorrangig Wolof, wobei es viele verschiedene Sprachen in dem Land gibt, die aktiv gesprochen werden, wie Pulaar, Serer, Diola und Bambara und einige mehr.

Unsere Ziele für 4 Wochen in Senegal

 

  1. 1. Familie & Freunde besuchen
  2. 2. Meet & Greet mit dem Babygirl ♥ schließlich sind wir das erste Mal zu Dritt da!
  3. 3. Neue Kleiderkollektion für Sow Couture kreieren: vom Entwurf zum Traumkleid (meine Zeichnungen haben schließlich lange genug auf ihren Einsatz gewartet)
  4. 4. Projekt meines Mannes: Unser Grundstück und den Fortschritt darauf begutachten, Solarpanels installieren, Wlan aufs Feld bringen, Brunnen und Wasserversorgung optimieren, unendlich viele neue Bäume pflanzen und weitere Bepflanzung planen (Ackerbau, Obst, Gemüse) 🌶 🍆 🥔 🥕 🌽 
  5. 5. Urlaub machen: das heißt für mich mindestens einmal ans Meer fahren und ein paar Städtetouren machen.
  6. 6. Alle Mitbringsel verteilen und mit meinen mitgebrachten Gewürzen möglichst oft die Familie bekochen (was bei der Anzahl an Leuten im Dorf schnell mal den Umfang von 1-2 Fußballmannschaften ergibt).
  7. 7. Einen „höheren Sinn“ der Kulturverständigung erfüllen: Indem ich unsere Reise auf Instagram so gut wie täglich mit Stories, Vlog und Fotos dokumentiert habe, möchte ich dazu beitragen, dass die Community von Sow Couture mehr über Senegal 🇸🇳 berichtet und erfährt und gegenseitiges Verständnis und Interesse geweckt wird. (Könnt ihr alles nachschauen in den Story Highlights Senegal 1 und 2). 😉 

Es folgt mein offiziell erster Post von Sow Couture nach unserer Ankunft in Thiès, Senegal. Dort haben wir die ersten paar Tage verbracht um uns zu aklimatisieren und einen Großteil unserer riesigen Familie wiederzusehen: Unser erster Weg führte uns direkt zur Uroma und war für uns alle sehr emotional, da sie ihre Enkelin noch nie in den Armen gehalten hat. 

“♥️ Welcome to Guelakh! 🇸🇳 Jetzt nochmal offiziell – wir habens wirklich geschafft und sind vor knapp 1,5 Wochen in Senegal gelandet. Nach ziemlich genau 3 Jahren war die Wiedersehenfreude entsprechend groß – und so so viel hat sich verändert, dass man es kaum glauben kann: die neue Landwirtschaftsschule wurde gebaut, es gibt neue Felder, Gärten und Häuser, Tiere und Ställe. Die Schüler wohnen jetzt vor Ort und es ist ziemlich was los, dafür dass man vermeintlich auf dem Dorf hockt 😅 Leider ist das Internet immer noch so schlecht wie damals schon, sodass ich Mühe habe euch auf dem Laufenden zu halten. Heute haben wir gefärbt und die letzten Tage gestempelt. In den nächsten Wochen werden noch die neuen Bestellungen fertig gemacht und die Sommerkollektion 2022 – auf die freue ich mich ja am meisten. ☀️ Stay tuned! Ba ci kanam!“

Es ist jedes Mal ein Abenteuer, nach Senegal zu reisen, und das liegt nicht mal so sehr an der Entfernung, dem Wetter (vom Winter in den Sommer zu fliegen), oder dass wir jetzt mit Kind & Kegel unterwegs waren. Sondern die Umstellung der Lebensweise, des eigenen „Funktionsmodus“ trifft mich immer wie ein Schlag vor den Kopf und konfrontiert mich mit mir selbst: Alles geht einfach viel langsamer von statten, man ist nicht als unabhängiges Individuum unterwegs, wie ich es in Europa kenne, wo ich selbst in einer Großstadt mit keinem einzigen Menschen reden muss, wenn ich nicht will. Sondern hier kann man gar nicht anders, als loszulassen und zu erkennen, was sich unbemerkt jahrelang in einem verselbstständigt hat. Der ständige Blick auf die Uhr, tausend offene Tabs im Kopf mit einem Mental Load bis unter die Decke mit Dingen, die alle noch getan werden wollen. Ein auf Effizienz trainiertes Denken mit Fokus auf Schnelligkeit und einer permanenten Gleichzeitigkeit von Handlungen, die das Zeitempfinden und sich abhetzen unwillkürlich verstärken.

Das hier ist keine Romanze - It's true Love ♥

Im Ernst, ich möchte diesen Bruch mit den europäischen Lebensgewohnheiten keinesfalls romantisieren, wie es durch die Wogen Achtsamkeitsbewegungen grade überall angepriesen wird. Im Gegenteil, ich tue mich jedes Mal verdammt schwer damit, über meinen Schatten zu springen und meine Ansprüche zu reflektieren. Mein Lieblingsspruch ist deshalb auch immer: Ihr Europäer habt die Uhr, wir Afrikaner haben die Zeit. 

Ich habe in diesen vier Wochen sehr genau beobachtet, wie meine Ungeduld, mein Ungehalten sein und der Druck, möglichst viele Dinge selbstständig und zeitlich getaktet erledigen zu wollen, irgendwann einfach verpuffte. Ich war absorbiert von den Menschen, Cousins, Onkels, Tanten, Cousinen, Kindern, Brüdern und all den Menschen um mich herum, die uns leicht wie eine Feder, liebevoll, gastfreundlich, wie selbstverständlich und beinahe unbemerkt auf Händen diesem Gedankenstrom entrissen und uns zu sich in ihre Welt mitnahmen. Plötzlich hat man das Gefühl, noch nie irgendwo anders gewesen zu sein. Als gäbe es kein Leben davor oder danach, als wäre man schon immer hier, in Senegal, in dieser Gemeinschaft, in diesem anderen, fremden, neuen eigenen Leben.

“Seit knapp drei Wochen sind wir in Senegal und es fühlt sich an wie drei Monate. 🇸🇳 Unser Urlaub neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu und ich mag gar nicht dran denken. 😳Gerade läuft unsere Arbeit hier im Atelier von Sow Couture auf Hochtouren – jeden Tag entsteht eine neue Kreation, oder auch zwei, drei – und die Ideen sprudeln nur so. 👗 Klar, wir haben auch viel nachzuholen! Und die Einkaufsliste wird länger: neue Stoffe zum Färben, extra Knöpfe die genau zur Farbe passen und neue Stempel müssen her. 🛍 Währenddessen geht auch die Arbeit auf dem Feld gut voran: Der Brunnen wurde tiefer gebohrt, sodass wir das Bewässerungssystem ausbauen konnten. 🏝 Gerade werden die neuen Rohre verlegt und an die solarbetriebene Pumpe angeschlossen. Eukalyptus und Obstbäume wie Granatapfel, Papaya, Zitrone, Guave und Banane können bewässert werden. 🍋 Unsere Zeit im Dorf ist bald vorbei, bis wir nach Thiès zur Familie fahren steht also noch viel an. Aber mal ganz ab von der Arbeit – das Wichtigste ist jetzt noch: das Meer sehen! Can’t wait for it! 🌊”

Ihr ahnt es schon, das mit dem Meer hat nicht geklappt. Wir waren so mit der Arbeit im Atelier von Sow Couture beschäftigt, dass wir bis zur letzten Minute vor der Abfahrt noch Entwürfe besprochen und Kleider unter der Nähmaschine liegen hatten. Es ist unglaublich, wie wir dank unseres Schneiders Njogi und unseres Färbers Ibrahima innerhalb kürzester Zeit eine ganze neue Kollektion auf die Beine gestellt haben. Dabei haben wir teilweise gleichzeitig an mehreren Entwürfen gearbeitet. Im Team haben wir die Farben und Stempel für jeden einzelnen Entwurf ausgewählt und uns für die passende Stoffart entschieden. Und während der letzte Stoff gerade noch auf der Leine in der Sonne trocknete, wurde der nächste schon mit Wachs bedruckt. Ich könnte nicht stolzer sein, euch unsere Modelle zu präsentieren, die wir in der Zeit angefertigt haben.

„Heute hieß es Abschied nehmen in Guelakh, Abschied nehmen von Sow Couture und damit vor allem auch von unzähligen lieben Menschen, die mir sehr fehlen werden. Abschiede liegen mir gar nicht und ich muss mich bemühen, nicht in Tränen auszubrechen, um es für alle nicht noch schwerer zu machen. Aber in Senegal weint man nicht. Zumindest zeigt man es nicht. 😢 

Ich komme mir im Nachhinein richtig naiv vor, weil es sich so angefühlt hat, als würde die Zeit hier nie zu Ende gehen… die letzen drei Wochen (wie wenig sich das anhört), haben sich angefühlt wie ein ganzes Leben. Und ich glaube das ist ein gutes Zeichen. 🧡 

Wann sehen wir uns wieder?, wurde ich heute immer wieder gefragt. Ich weiß es leider nicht. Alles was ich grade weiß, ist, dass ich einen Teil von mir, meiner Familie und mein geliebtes Atelier hier lasse. Dass 25 Urlaubstage zu wenig sind um 1x im Jahr nach Guelakh zu Besuch zu kommen. Und dass ich keine Ahnung habe, wie oder warum das Schicksal mich an dieses Fleckchen Erde verschlagen hat, das nicht sonderlich Eindruck macht auf den ersten Blick. Aber ich weiß, dass hier mein zweites Zuhause ist. Und damit bin ich in guter Gesellschaft. 

Senegal ist nicht exotisch, aufregend oder spektakulär wie diese aufwändig beworbenen Ziele im Reisebüro. Das Leben hier ist für viele nicht leicht, und es gibt so viel hier zu tun und (v.a. politisch und wirtschaftlich) zu verändern – ich könnte mich stundenlang darüber mit den Leuten hier unterhalten. 

Aber: Es ist so einfach sich in diese Menschen hier zu verlieben. Sie machen es einem leicht. Ganz zu Schweigen von dem, was sie in Projekten wie Guelakh leisten. Und umso schwerer fällt es mir, mir vorzustellen, in mein „altes“ Leben zurückzukehren – und das alles hier wieder hinter mir zu lassen. ♥️ 

Ich glaube, ich brauche einfach Zeit… und es hilft, ein kleines Stücken Guelakh, Senegal 🇸🇳 im Herzen und im Koffer in Form von Sow Couture mit nach Hause zu nehmen. Namm na la Guelakh. Ich vermisse dich jetzt schon. 🧳“

Und wie geht es jetzt weiter?

Bei meinem letzten Post aus Guelakh habe ich ziemlich mit den Tränen gekämpft. Der Abschied war unendlich schwer und es war klar:  Wir kehrten zurück nach Hause in die „Realität” und den Alltagswahnsinn, der „plötzlich“ (wieder) von Corona, Krieg in Europa und Arbeit beherrscht wurde, sodass ich sage und schreibe fast zwei Monate gebraucht habe, um mich wieder richtig einzuleben. (Seltsamerweise noch länger, als in Senegal „anzukommen“.) Dafür waren wir motivierter als je zuvor, mit Sow Couture ein neues Kapitel aufzuschlagen und aus dem Winterschlaf zu erwachen – den Sommer hatten wir ja schließlich im Gepäck!

• FAIR FASHION • MUT • KREATIVITÄT • TRANSKULTURALITÄT

  1. All diese Dinge haben wir uns für die Zukunft als Mission auf die Fahne geschrieben und wollen mit unserer Arbeit: 

    • 1. Qualität statt Quantität: Herstellung hochwertiger und einzigartiger Waxprints in unserer Manufaktur in begrenzter Stückzahl.
    • 2. Slow Fashion: einen Gegenentwurf zu dem Trend der Massenware in der Fast Fashion setzen, deren Herstellung unsere Erde belastet, sinnlos Rohstoffe verschwendet und unsere gesunden Seelen durch unstillbaren Konsumhunger krank macht.
    • 3. Fair Fashion: nachhaltige und faire Kleidung herstellen, die den ErzeugerInnen ein würdiges Einkommen ermöglicht, ihnen Zukunftsperspektiven bietet und für die Kunden (v.a. in Zeiten steigender Inflation) trotzdem noch erschwinglich ist.
    • 4. Mut: braucht es, um sich auf das Abenteuer einzulassen, eine/n Fremde/n kennenzulernen, ein unbekanntes Land zu entdecken oder ein knallbuntes afrikanisches Kleid anzuziehen und damit riskieren gesehen zu werden. Weil wir für uns einstehen und uns vor uns selbst nicht verstecken brauchen. Weil wir eine Stimme haben mit der wir sprechen, die gehört werden soll.
    • 5. Ästhetik: Ist Kreativität, ist Design und Poesie, ist authentisch, weil wir für farbenfrohe Lebensfreude stehen, für außergewöhnliche Kleidung und Stoffe, die nicht von der Stange sind und durch das Färben und Schneidern in akribischer Handarbeit eine Aura und eine Seele haben, die zu uns spricht.
    • 6. Transkulturelle Vermittlung: In einer Welt, in der der schlimmste Feind des Menschen der Mensch selbst ist, in der so viele Menschen wie noch nie in der Geschichte sich auf der Flucht vor Armut, Gewalt oder Krieg befinden, in der wir bedroht sind von Atomkrieg, Klimawandel, Hunger, Wirtschaftskrisen, Rassismus, Hass und Gewalt, ist jeder noch so kleine Schritt zum gegenseitigen Verständnis und Mitgefühl unverzichtbar. Reisen bildet und Essen verbindet. Kleider machen Leute und Farben machen glücklich. Lasst uns unsere Ängste zulassen, aufeinander zugehen, miteinander reden und uns kennenlernen. Wir sind mehr als die Summe unserer Teile, etwas viel größeres kann in der Fusion entstehen. Lasst uns die Veränderung sein, die wir uns für diese Welt wünschen.

© Sow Couture 2022